Zielgruppe der Förderung: MINT-begabte Kinder
Einstellung von MINTiKi zu MINT-Frühbegabung und Förderung
MINTiKi geht davon aus, dass zur Entwicklung geistiger Fähigkeiten zwei Faktoren entscheidend sind: Genetik (bzw. das Angeborene) und die Umwelteinflüsse (auf die jeweiligen Bedürfnisse des Kindes zugeschnittene Förderung und Epegentik)!
Ein Vergleich lässt sich hier anschaulich im Sport beim Laufen finden. Die angeborenen Merkmale wie lange Beine, richtiger Muskelfasertyp, guter Gleichgewichtssinn, großes Lungenvolumen, usw. bewirken ohne die richtigen Umwelteinflüsse wie Training, Atemtechnik und richtige Ernährung keine überdurchschnittlichen Leistungen.
MINTiKi sagt also, dass man Kinder nicht zur Hochbegabung fördern kann, sondern dass man eine angeborene überdurchschnittliche Veranlagung hat, welche sich aber ohne eine individuell angepasste Förderung nicht optimal entfalten kann. Dies gilt natürlich für die kognitive Entwicklung aller Kinder, also jedes Kind kann durch geeignete individuelle Förderung bessere Leistungen erzielen, wobei besonders begabte Kinder einfach schneller und damit auch eher Fähigkeiten und Wissen erwerben können. Und ähnlich wie im Sport hat jedes Kind einen unterschiedlichen Bewegungsdrang – entweder auf verschiedenen Wissensgebieten oder eben auf dem Spielplatz. Aber besonders wichtig ist für alle Kinder, dass sie es gerne tun und dabei nicht überfordert werden. (Bei Überforderung erreicht man im Allgemeinen das Gegenteil und meist mit gesundheitlichen Nebenwirkungen.) Diese Ansicht der Förderung beruht auf intensiver Auseinandersetzung mit neurobiologischen, genetischen und molekularbiologischen Erkenntnissen der jeweiligen Wissenschaftszweige und der eigenen Erfahrung mit Projektkindern und Kindern im persönlichen Umfeld. Eine Werteskala bezüglich der Kinder lehnt MINTiKi grundsätzlich ab – ein hoch- oder frühbegabtes Kind ist nicht mehr oder auch nicht weniger „wert“ als ein normales oder auch ein lernbehindertes Kind, also alle Eltern sollten in jedem Fall stolz auf ihre Kinder sein und nur so können sie erreichen, dass ihr Kind seinen passenden Platz in der Gesellschaft finden und damit ein glückliches Leben führen kann und das ist doch ein lohnendes Ziel!
Probleme die Kinder mit MINT-Frühbegabung haben können
Probleme im Umgang mit MINT-frühbegabten Kindern ergeben sich leider häufig daraus, dass sich viele Erwachsene durch besonders intelligente (insbesondere „MINTi-Begabte“) Kinder oft stark provoziert fühlen, da die offensichtliche Intelligenz der Kinder im Widerspruch zu sonst akzeptiert kindgemäßen Verhaltensweisen zu stehen scheint. Beispielsweise wird von den Kindern erwartet, dass sie auf Grund ihrer Intelligenz in der Lage sein müssten, die sonst üblichen emotionalen und sozialen Reifungsprozesse ebenso zu überspringen. (Derart überhöhte Erwartungen sind auch bei körperlich besonders großgewachsenen Kindern schon seit Längerem bekannt.) So habe ich zum Beispiel festgestellt, dass ein vierjähriger mit ironisch gemeinten Äußerungen gegenüber Erwachsenen als unverschämt wahrgenommen wurde, obwohl er eigentlich humorvoll sein wollte. Daraufhin musste er verbale Angriffe auf die Beziehung zu seinem Lieblingskuscheltier erdulden. Ein weiteres Beispiel war die Erwartung an ihn, dass er mit vier Jahren bereits reif genug sein sollte, fast gleichaltrige absichtlich gewinnen zu lassen.
Das Verständnis von Ehrgeiz ist bei diesen Kindern (bis ins Erwachsenenalter) sehr oft ein anderes, als es allgemein und öffentlich üblich ist. Sie handeln also oft nach dem Prinzip „lieber mit doppeltem Wissen zweiter als mit halben Wissen erster“ und möchten bevorzugt unauffällig aber dafür ungestört sein, so dass sie häufig nicht durch übermäßig gute Noten oder in Wettbewerben auffallen. Schüler mit einem Notendurchschnitt von 1,0 sind zwar sehr ehrgeizig und fleißig, zuverlässig und können gut auswendig lernen, aber die Kreativität und fachliche Vielfalt bei gleichzeitigem fachspezifisch hohem Niveau von Hochbegabten haben sie meistens nicht. Deshalb findet man Hochbegabte beruflich oft in Bereichen, in denen ihre Potentiale für die Gesellschaft nicht effektiv genutzt werden können.
Obwohl für jüngere Kinder zunehmend Bildungsprojekte in den MINTi-Bereichen angeboten werden, richten sich diese vom Niveau her leider nie an die Zielgruppe der hochbegabten Kinder. Vor dem Hintergrund der Forschungsergebnisse der Hirn- und Verhaltensforschung auf dem Gebiet der gesundheitlichen Nebenwirkungen von Reizarmut und dem Wissen, dass dauerhafte Unterforderung und Langeweile in gewisser Hinsicht leichte Formen davon sind, ergibt sich eigentlich sogar aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit, für diese Kinder geeignete und sinnvolle Beschäftigungen anzubieten. Viel zu oft werden MINTi-hochbegabte Kinder mit dem Lernen ausgefallener Sprachen wie Chinesisch oder Japanisch beschäftigt, obwohl es in diesen Ländern allgemein üblich ist, Englisch als Fremdsprache sehr gut zu sprechen.
Eine gemeinsame gleichzeitige Förderung beider Zielgruppen im Freizeitbereich ist auf den MINTi-Fachgebieten nicht effektiv möglich, weil entweder Unter- oder Überforderung seitens der Kinder toleriert werden muss.
Abgesehen davon ist es ein in unserer Gesellschaft weitverbreiteter Erziehungsirrtum, dass Erwachsene oder Lehrer und Erzieher grundsätzlich mehr wissen „müssen“ als ihre Kinder. Der gesellschaftlich akzeptierte Wechsel der Ansichten erfolgt meist erst dann, wenn das Alter der Eltern soweit fortgeschritten ist, dass das Lernen altersbedingt eingeschränkt wird und die Kinder eigene Qualifikationen erworben haben.
MINT-Begabung sollte keine Besonderheit sein
Das erschwert den Umgang der Erwachsenen und auch der anderen Kinder mit diesen auffälligen Kindern, weil es ungewohnt ist und sie dadurch eine gewisse Sonderstellung erhalten. Diese Individualität bedeutet für einige dieser Kinder eine hohe kognitive Belastung, da sie z.B. nichts Außergewöhnliches sein wollen (mein Sohn bat mich deshalb gelegentlich, dass ich seine Fragen beim Besuch der „Langen Nacht der Wissenschaften“ für ihn stellen sollte oder er verhielt sich absichtlich und sogar sehr überzeugend „begriffsstutzig“), weil sie von anderen Kindern aus unterschiedlichen Gründen ausgegrenzt werden, oder sich auch selbst aus Mangel an intellektuell passenden, gleichaltrigen Kindern und anderen Bezugspersonen abgrenzen. Auch die Arbeitsweise und das Herangehen an Problemstellungen unterscheidet sich mitunter gravierend von anderen Kindern. So arbeiten MINTi-begabte Kinder im Allgemeinen gründlicher, dadurch allerdings oft auch langsamer und finden zum Beispiel in Testaten Lösungen, die zwar fachlich richtig sind, aber nicht als Lösung anerkannt werden, weil sie so weitgreifend nicht erwartet wurden. Die einfachere und als richtig bewertete Lösung ist für diese Kinder so trivial und selbstverständlich, dass sie gar nicht erst auf den Gedanken kommen, dass diese als Lösung gesucht wurde. Weiterhin suchen sie zuerst lieber nach eigenen Lösungen und Ansätzen bevor sie vorgegebene Antworten auswendig lernen (beispielsweise Interpretationen).
Widersprüche die bei Kindern mit MINT-Begabung zu beobachten sind
Ein zweijähriges Kind
- versteht das Atom nach dem Bohrschen Atommodell,
- kann sauberer als die meisten Schulanfänger mit einer kleinen Kinderschere Kreise und Weihnachtssterne ausschneiden und
- mit einem Schraubenzieher einen Föhn auseinander und wieder zusammen montieren,
-> möchte aber abends nicht alleine ins Bett gehen.
Ein vierjähriges Kind
- weiß, was ein Faradayscher Käfig oder
- Induktion ist und versteht deshalb, wie Induktionsschweißen funktioniert und kann dies auch anderen Kindern erklären,
-> aber möchte als Schulkind, gegen massiven pädagogischen Widerstand, bis zum Ende der Grundschule ins Klassenzimmer gebracht werden.
Ein fünfjähriges Kind
- kommt täglich mit wechselndem Werkzeug wie Zange, Hammer, Schraubenzieher, … in den Kindergarten, fragt mit pfiffigem Glitzern in den Augen verschmitzt „Soll ich da mal das Licht ausmachen?“ und montiert am Türschloss und Sicherungskasten herum („erfolgreich“ -> hat die Erzieherinnen ausgesperrt und im Kindergarten zeitweise das Licht ausgeknipst,… ),
->versteht aber nicht, warum die Erzieher/innen darüber gar nicht amüsiert sind.
- baut völlig selbstständig einen funktionierenden Solarwecker mit Piezosignalgeber (der dann Sonntagmorgen gegen 5.00 Uhr die Familie weckt!),
Ein sechsjähriges Kind
- führt andere Kinder durch die Dauerausstellung des Hygienemuseums (Video),
- macht nahezu ohne Vorbereitung einen seine Mitschüler beeindruckenden Experimental–Vortrag über Luft (für die Ausarbeitung dienten ihm zwei Tage vorher lediglich einige Abbildungen aus wissenschaftlichen Kinderbüchern als Anregung und gleichzeitig wurde für den Vortrag das knappe Inhaltsverzeichnis der Arbeitsmappe als Stichpunktzettel verwendet),
-> aber Schreiben und Lesen sind bis zur vierten Klasse ein Problem. Erst als er für seinen geliebten „Kalten Hund“ statt Butterkeksen versehentlich dafür ungeeignete Vollkornkekse kauft und die große Schwester schadenfroh meint „Tja, wer lesen kann, ist klar im Vorteil!“, ist der Ärger über das Missgeschick so groß, dass dadurch endlich wenigstens die Einsicht der Notwendigkeit entsteht!
Ein elfjähriges Kind
- versucht verzweifelt ein Mind-Map (Beispiel) zu erstellen bzw. zu verstehen,
- und glitzert mich erleichtert an, wenn ich ihm sage, dass ein in der Programmierung verwendetes Flussdiagramm (Beispiel) doch genau das Gleiche wie ein Mind-Map ist und dieses darauf;hin innerhalb kürzester Zeit zu Papier bringt
- anschließend jedoch von seiner Lehrer/in unsanft gerügt wird dafür: „Was soll denn daaass sein, das verstehe ich nicht?! Das ist doch kein Mind-Map, das musst du noch einmal machen!“
-> kann aber (nach den Worten seiner Erzieherin) schon seit der ersten Klasse das komplette Betriebssystem eines Computers deinstallieren und anschließend wieder nach den Wünschen des Besitzers erfolgreich neu installieren.
MINT-begabte Kinder bleiben Kinder
Meistens werden diese Kinder dann auch auf den nicht so gut beherrschten, „nebensächlichen“ Gebieten (z.B. Geborgenheitsbedürfnis) an die Entwicklungsstufe der anderen Kinder, oft sogar darüber hinaus, zwangsweise angepasst! Ich persönlich halte das für einen Fehler, weil die Kinder einerseits nutzlos darunter leiden und das Gefühl nicht kennen lernen, auch mal langsamer/“schlechter“ als andere zu sein, was ihnen später als Erwachsene den Umgang mit ihren Mitmenschen mindestens erschwert, abgesehen davon, dass eigene Fehler meistens lehrreicher sind, als der Zwang von außen. Außerdem sollten manche Eigenschaften, wie z.B. schon im Kindesalter herausragende Gründlichkeit und Genauigkeit, nicht zu Gunsten scheinbarer Effektivität abgewöhnt werden, da sie für einen späteren Beruf in den MINTi-Fächern unverzichtbar sind. Natürlich kann dies bedeuten, dass solche insbesondere MINTi-begabten Kinder ihre Aufgaben langsamer erledigen, als andere Kinder. Dafür erfüllen sie Aufgaben meistens durchdachter und umfassender, da sie an ihre Ergebnisse höhere Anforderung stellen. Die Unterdrückung dieser gründlicheren Herangehensweise kann hingegen zu Unzufriedenheit der Kinder mit sich und ihren Leistungen einschließlich den bekannten, zum Teil auch gesundheitlichen Nebenwirkungen führen.
Ein weit verbreiteter, aber bei mit den Problemen der Hoch- und Teilhochbegabung befassten Fachleuten bekannter Irrtum ist die Annahme, dass hoch- und teilhochbegabte Kinder in der Schule immer Bestnoten haben müssten. Aber da diese Kinder eine schnellere Auffassungsgabe besitzen als andere, haben sie oftmals nicht den Ehrgeiz zum Fleiß auf allen Gebieten, sondern nur dort, was sie besonders interessiert – es sind eben oftmals nicht die Musterschüler und ehrgeizigen Aufsteiger, sondern eher die Unbequemen. Weil diese Kinder gewöhnt sind, dass ihnen alles sehr leicht fällt, sind sie oft auch der Überzeugung, dass dies grundsätzlich so ist und bei Dingen, die sie nicht so brennend interessieren, könnten sie innerhalb kürzester Zeit einen durch Vernachlässigung eventuell entstandenen Nachholebedarf ausgleichen. Das betrifft zum Beispiel häufig besonders technisch interessierte Jungen auf den nichttechnischen Gebieten wie Fremdsprachen, Kunst, Musik, Deutsch,… . Erst zu spät müssen sie erkennen, dass sie sich dabei leider doch überschätzt haben.